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This extract is the unabridged text referring to the genus Ariocarpus from Blühende Kakteen Iconographiae Cactacearum Im Auf Trage, J Neumann, Neudam, 1901. |
KARL MORITZ SCHUMANN |
Ariocarpus retusus Scheidw.
Die Gattung Ariocarpus oder, wie sie jetzt noch, nach botanischen Grundsätzen fälschlich, vielfach genannt wird, Anhalonium ist meiner Auffassung nach die nach der Ausbildung der Formen am weitesten in der ganzen Ausgestaltung vorgeschrittene Kakteengruppe. Neben oder hinter ihr kann aus demselben Grunde nur noch Leuchtenbergia genannt werden. Wie sich diese an die Gattung Echinocactus anschliesst und gewissermassen die extremste Form der Gattung darstellt, so ist Ariocarpus, gleichsam die Zinne der Gattung Mamillaria, von ihr aber so weit und so ausgezeichnet geschieden, dass es für einen Kakteenkenner unbegreiflich erscheint, wenn die Engländer hartnäckig, indem sie dem Vorgang BENTHAM'S in den ,,Genera plantarum" folgen, diese Gattung in Mamillaria einziehen. Freilich muss die Gattung rein erhalten bleiben und darf nicht durch die Aufnahme von Echinocactus Williamsii, Lem. oder Pelecyphora aselliformis Ehrenb. und was man sonst noch gelegentlich zu einem ,,Anhalonium" gestempelt hat, verzerrt werden. Gut gekannt sind hauptsächlich drei Arten, nämlich neben dem hier vorliegenden Ariocarpus retusus Scheidw. noch Ar. Kotschubeyanus K Sch. und Ar. fissuratus K. Sch. Wir werden die beiden letzterwähnten, bemerkenswerten Pflanzen in einem der nächsten Hefte dieses Werkes zur Darstellung bringen; die Vorlagen sind bereits hergestellt. Der wesentliche Charakter der Gattung liegt in dem Umstande, dass die Warzen eine ganz eigenartige Veränderung in der Ausgestaltung erfahren, sie werden nämlich blattartig, sie erhalten bei unserer Art etwa das Aussehen von Blättern kleiner Formen der Gattung Aloe. Bei der vorliegenden Art sind diese Blätter eiförmig und zugespitzt. An der Spitze der Warzen liegt eine kleine, kreisförmig umschriebene, flache Vertiefung, welche die Areole andeutet. Dieser Wahrnehmung zufolge dürfen wir festsetzen, dass diese Art der Gattung Ariocarpus auf den Warzen eine Areole aufweist, und dass also LEMAIRE im Irrtum war, wenn er die Meinung vertrat, dass die Arten seiner Gattung Anhalonium auf den Warzen keine Areolen besässen, und daraufhin den Namen bildete. Ar retusus Scheidw. wird von Zeit zu Zeit bei uns in guten Importen aus Mexiko eingeführt, die immerhin wenigstens einige Jahre in der Kultur erhalten werden können, dann aber, diese Erfahrung haben wir zum mindesten in dem botanischen Garten von Berlin gemacht, durch Fäulnis zu Grunde gehen; besonders empfindlich sind sie gegen Benetzung des Wollscheitels während des Winters. Die Pflanze Iässt sich auch aus Samen erziehen; die auf diesem Wege gewonnenen Pflanzen wachsen aber recht Iangsam, wenigstens in der. Jugendzeit; später allerdings entwickeln sie sich, namentlich auf eine kräftige Unterlage veredelt, besser, sie erlangen aber selten das charakteristische Aussehen der Importen, welche durch ihre absonderliche Gestalt, die graue Farbe und schliesslich auch dadurch, dass sie immerhin willig blühen, jeder Sammlung zur Zierde gereichen. Ariocarpus Kotschubeyanus K. Schumann.
Dass für die Gattung, von der auf unserer Tafel 52 zwei Arten abgebildet sind, der Name Ariocarpus als ältester gebraucht werden muss, hat K. SCHUMANN wiederholt nachgewiesen. Der ersten Art, A. retusus, auf welche SCHEIDWEILER seine Gattung im Jahre 1838 begründete, folgte wenige Jahre später, nämlich 1842, die uns hier beschäftigende Art. Der Baron VON KARWINSKI hatte sie bei S. Luis Potosi in Mexiko in drei Exemplaren gefunden, von denen er eins dem Minister Fürsten KOTSCHUBEY, das zweite dem botanischen Garten von St. Petersburg gab, während das dritte nach Paris gelangte, wo es für 1000 Fr verkauft wurde. Baron VON KARWINSKI hatte für die Pflanze einen neuen Gattungsnamen, Stromatocarpus, vorgeschlagen; jedoch erkannte LEMAIRE die Art als zu Anhalonium gehörend und beschrieb sie unter dem Namen A. Kotschubeyanum. Einige Jahre später nannte sie MONVILLE Anhalonium fissipedum, und SALM-DYCK brachte sie in seinem Verzeichnis von 1850 als Anhalonium sulcatum, obwohl ihm der von LEMAIRE gegebene Name wohl bekannt war. Als K. SCHUMANN in der M. f. K. 1897 einige Notizen über die Pflanze, sowie eine Abbildung brachte, nannte er sie noch Ariocarpus sulcatus; erst im folgenden Jahre war es ihm gelungen, die Priorität des von LEMAIRE gegebenen Namen festzustellen. Die Umstände, unter welchen WEBER die lange verschollene Pflanze wieder auffand, hat uns K. SCHUMANN in seiner Arbeit über die Gattung in Engler Bot. Jahrb. 1898 erzählt; es sei nur noch erwähnt, dass die Art keine Seltenheit mehr in den Kakteensammlungen ist. In ihrem Heimatlande Mexiko ist sie von Baron VON KARWINSKI bei S. Luis Potosi, von WEBER nördlich von Matehuala gefunden worden, und Professor BÖHM in Leipzig hat sie aus Villa Lerdo am Rio. Nazas im Staate Durango erhalten. Ariocarpus fissuratus K. Schumann.
Zuerst veröffentlicht wurde diese Art von ENGELMANN, welcher die Gattung Ariocarpus als Subgenus Anhalonium der Gattung Mamillaria auffasst; in Cact. of the Boundary gibt er von ihr eine sehr ausführliche Beschreibung und ausgezeichnete Abbildung, in dem Nachtrage zu der letzteren Arbeit erkennt er dann auch Anhalonium als eigene Gattung an. Einen neuen Artnamen, Anhalonium Engelmanni bringt LEMAIRE 1869 zuerst in seinem kleinen, ,,Les Cactées" betitelten Werke und behält ihn auch in seiner Monographie der Gattung in Illustr. hort. bei. Erst 1894 stellte SCHUMANN den jetzt gültigen Namen fest. A. fissuratus wurde zuerst im westlichen Texas bei Fairy Springs, nicht weit von der Mündung des Rio Pecos in den Rio Grande, sowie in den Wüsten zwischen diesem und dem Rio S. Pedros gefunden, wo er auf hartem Boden geröllreicher Kalkhügel wuchert; auch in den Canons des oberen Rio Grande kommt er vor. COULTER gibt ihn für den mexikanischen Staat Coahuila an, und HEFFTER hat ihn von der Sierra Madre zwischen den Staaten Sonora und Chihuahua erhalten. In die Kakteensammlungen Europas kommt die Art jetzt fast jedes Jahr aus Texas in grösseren Mengen.
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